Kurzsichtigkeit bei Kindern


Für eine gesunde Entwicklung und Entdeckung der Welt benötigen Kinder scharfes Sehen. Wenn das Auge gut in die Nähe oder Ferne fokussieren kann, werden viele Aktivitäten erst spannend und lehrreich.

Um scharfes Sehen zu ermöglichen, arbeiten mehrere Abschnitte im Auge zusammen. So wird Licht aus der Umgebung vom Auge aufgenommen, durch die Hornhaut gebrochen und durchquert dann das Auge von der Pupille bis zur Netzhaut. Das Licht bündelt sich auf der Netzhaut – der Seheindruck wird an das Gehirn weitergeleitet.

Bei der sogenannten Kurzsichtigkeit, auch Myopie genannt, werden entfernte Gegenstände unscharf wahrgenommen, wohingegen Objekte in der Nähe klargesehen werden können. Weltweit hat die Anzahl der Kinder, die nur noch unscharf in der Ferne sehen in den letzten Jahrzehnten stark zugenommen, wobei es regional grosse Unterschiede gibt.

Durch die starke Zunahme der Myopie, zählt die Weltgesundheitsorganisation WHO Kurzsichtigkeit zu einer Erkrankung mit höchster Priorität zur Eindämmung.

Wie entsteht Kurzsichtigkeit?

Bei Kurzsichtigkeit besteht ein Missverhältnis zwischen der Länge des Auges und der Brechkraft von Linse und Hornhaut. Meist ist der Augapfel zu lang und die Lichtstrahlen, die ins Auge einfallen, werden nicht auf der Netzhaut gebündelt, sondern schon davor. Somit entsteht ein unscharfes Bild. Umso länger das Auge ist, desto unschärfer wird das abgebildete Bild.

Bei der Kurzsichtigkeit unterscheidet man die „einfache“, nicht pathologische Myopie, die meist im Schulalter beginnt und deshalb auch Schulmyopie genannt wird. Ab einer Fehlsichtigkeit von -6 Dioptrien (dpt) ist von einer „hohen“ oder pathologischen Kurzsichtigkeit die Rede. Sie beginnt meist in der frühen Kindheit. Mit zunehmender Länge des Augapfels, steigt das Risiko für degenerative Netzhautveränderungen sowie Komplikationen wie Netzhautrisse und dadurch bedingte Netzhautablösungen.

Risikofaktoren für die Entstehung von Kurzsichtigkeit

Wie stark genetische Faktoren das Augenwachstum beeinflussen, zeigen folgende Zahlen: Bei einem kurzsichtigen Elternteil steigt die Wahrscheinlichkeit myop zu werden auf 30%. Wenn beide Elternteile kurzsichtig sind, verdoppelt sich das Risiko auf 60%.

Die Vererbung ist jedoch nicht der einzige Grund, der die Zunahme myoper Augen erklären kann. Umweltfaktoren und das Verhalten im Alltag spielen eine wichtige Rolle in der Entwicklung der Kurzsichtigkeit. Verschiedene Untersuchungen konnten eine positive Wirkung von Tageslicht auf die Myopieprogression feststellen. Bereits durch ca. 2h Tageslichtexposition am Tag lässt sich das Risiko für das Auftreten einer Myopie halbieren. Man vermutet, dass bei zu wenig Sonnenlicht die Netzhaut weniger Dopamin produziert und dadurch das Auge stärker in die Länge wächst. Sport und Bewegung im Freien wirken sich daher positiv auf die Sehleistung aus.

Aber auch Lesen und Naharbeit haben einen wichtigen Einfluss auf die Entwicklung der Kurzsichtigkeit. Vermehrte Naharbeit führt zu einer Zunahme der Kurzsichtigkeit. Gezeigt werden konnte auch, dass mit Zunahme der Ausbildungsdauer die Häufigkeit der Myopie zunimmt: im Durchschnitt führt jedes Jahr Ausbildung zu einer Myopiezunahme von 0,3 dpt. Dieser Einfluss der Nahsicht ist jedoch nur bei kontinuierlichem Lesen ohne Pause von über 30 min Dauer statistisch signifikant. Dazu spielt der Leseabstand eine wichtige Rolle. Je geringer der Leseabstand, desto höher ist das Risiko eine Kurzsichtigkeit zu entwickeln. Vergleichbares gilt für die Zeit, die an Tablets oder Smartphones verbracht wird.

Massnahmen zur Verringerung der Myopie

Es gibt verschiedene Präventionsstrategien, um die Zunahme der Kurzsichtigkeit zu reduzieren und damit das Risiko für das Auftreten von degenerativen Netzhautveränderungen. Alle Massnahmen können eine bestehende Kurzsichtigkeit zwar nicht reduzieren, haben aber gezeigt, dass sie zu einer Verlangsamung der Progression führen können.

 1. Verhalten

Es wird empfohlen, Kinder für ca. 2 h/d bzw. 14h/Woche bei Tageslicht nach draussen zu schicken. Dadurch verringert sich sowohl das Risiko für die Entstehung der Kurzsichtigkeit als auch deren Zunahme. Darüber hinaus sollte der Abstand beim Lesen nicht zu nah gewählt werden, sondern mindestens 30 cm und mehr betragen. Hilfreich sind auch regelmässige Unterbrechungen der Naharbeit und ein gezielter Blick in die Ferne.

 2. Atropin

Seit über 100 Jahren ist bekannt, dass Atropin-Augentropfen das Fortschreiten der Kurzsichtigkeit verringern, wobei der genaue Wirkmechanismus nicht vollständig geklärt ist. Erst als gezeigt werden konnte, dass auch eine geringe Dosis von 0.01% Atropin bei ca. 90% der behandelten Kinder wirksam ist, erhielt diese Therapieform Aufwind, da die bekannten Nebenwirkungen von Atropin – wie Pupillenerweiterung, Blendungsgefühl und unscharfes Sehen in der Nähe – in dieser Konzentration kaum auftreten. Es genügt jeden Abend je einen Tropfen in beide Augen zu tropfen. Empfohlen wird diese Therapie in der Regel ab einer Myopiezunahme von 0,5 dpt/Jahr. Hierbei handelt es sich um eine off-label Therapie, d.h. die Therapie ist offiziell noch nicht zugelassen. Es gibt aber neben zahlreichen asiatischen Studien, zunehmend mehr Berichte aus Europa, die die Wirksamkeit ohne Zunahme der Unverträglichkeiten deutlich bestätigen.

 3. Multi-Segment-Brillengläser

Aufgrund der oval-länglichen Form des myopen Augapfels ist die Netzhautperipherie im Vergleich zur Netzhautmitte weitsichtig, d.h. hyperop. Mit einem herkömmlichen Brillenglas liegt deshalb die Bildebene in der Peripherie hinter der Netzhaut, wodurch das Wachstum des Augapfels weiter stimuliert wird.

Seit kurzem gibt es spezielle Brillengläser, die diesem Effekt durch eine gegensätzliche Defokusierung der Peripherie entgegenwirken und dadurch das weitere Wachstum des Auges reduzieren. Dafür werden im peripheren Bereich der Brillengläser viele zusätzliche Segmente mit +3,5 dpt eingearbeitet, sog. „defocus inocorporated multiple segments (DIMS)“, die die Bildebene in der Peripherie vor die Netzhaut verlagern. In der zentralen Zone wird die Kurzsichtigkeit wie bei herkömmlichen Einstärkengläsern optimal korrigiert. Durch die periphere Defokussierung kann die Sehqualität leicht reduziert sein, die meisten Kinder gewöhnen sich jedoch schnell daran und fühlen sich dadurch nicht gestört. Die Myopie-Progression lässt sich mit diesen speziellen Multi-Segment-Brillengläsern um ca. 60% verlangsamen. Ein ähnlicher Effekt kann mit multifokalen Kontaktlinsen und Orthokeratologie erreicht werden.

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Augenzentrum Bahnhof Basel
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